Codierte Träume
Der Surrealismus war eine künstlerische und literarische Bewegung, die in den 1920er Jahren aus der tiefen Überzeugung entstand, dass die wahre Wirklichkeit nicht in der sichtbaren Welt, sondern im Unterbewusstsein liegt. Inspiriert von Sigmund Freuds Traumtheorie wollten die Surrealisten den rationalen Verstand umgehen, um direkt auf die verborgenen Tiefen der Psyche zuzugreifen. Sie entwickelten Techniken wie das automatische Schreiben (écriture automatique), bei dem Worte ohne bewusste Kontrolle flossen, oder das Prinzip des objektiven Zufalls, bei dem unerwartete Begegnungen und Assoziationen neue Bedeutungsebenen enthüllten. Kunst war für sie nicht geplant – sie geschah. In dieser Ausstellung treffen die Ideen des Surrealismus auf eine neue, faszinierende Technologie: Künstliche Intelligenz. Doch anders als oft angenommen, sind diese Werke nicht allein das Produkt einer Maschine. Sie sind im Dialog zwischen Mensch und Algorithmus entstanden – ein kreatives Wechselspiel zwischen Thomas Michel und einer KI, die Bilder aus den unzähligen Werken der Kunstgeschichte, der Popkultur und dem kollektiven Bewusstsein der Menschheit schöpft.
KI generiert keine Kunst aus dem Nichts – sie antwortet auf eine Vision. Und genau diese Vision ist es, die Thomas Michel antreibt: die Poesie des Alltäglichen zu beschwören und die Magie der Träume sichtbar zu machen. Seine Arbeiten greifen auf das riesige Archiv menschlicher Vorstellungskraft zurück, um das Unbekannte ans Licht zu holen – ganz im Geist des Surrealismus, der stets daran glaubte, dass die größten Wunder dort entstehen, wo Logik und Zufall miteinander ringen. André Breton hätte die KI als ein Werkzeug des kreativen Unbewussten begrüßt – eine zeitgenössische Form der „magnetischen Felder“, die neue Realitäten hervorbringt.
Die Maschinen denken nicht, doch sie träumen – und in ihren Träumen finden wir Bilder, die keiner einzelnen Vorstellung entspringen, sondern aus dem Zusammenspiel von Daten, Zufall und Interpretation geboren werden. Diese Ausstellung lädt dazu ein, das Unbekannte zu erkunden, den Zufall als künstlerischen Verbündeten zu akzeptieren und zu erleben, wie Thomas Michel, Künstliche Intelligenz und der Surrealismus gemeinsam die Grenzen der Vorstellungskraft sprengen.
FARBE des Monats: SCHATTIG
Juli 2025